Seestadtgschichtn #16 (letzter Teil) – The Viennese Dream
Tagebucheintrag vom: 31.08.2022
Es sind nur mehr ein paar Stationen bis zum Ziel. Täglich machen sich tausende Menschen in Wien auf ihren Weg, wo auch immer sie hinwollen. Manche sind länger unterwegs, manche kürzer, manche müssen umsteigen oder das Fahrzeug wechseln, manche können in einem durchfahren. Dabei ist aber eines bei allen gleich und zwar, dass alle unterwegs sind, um irgendwo anzukommen, sie wollen ein Ziel erreichen. Um dieses zu erreichen braucht es Zeit. Dabei will man oft die Zeit nach vorne spulen und direkt am Ziel ankommen oder sich zu einem bestimmten Ort teleportieren können, die wenigsten schauen zurück und denken an den Zeitpunkt als sie auf den Zug aufgesprungen, in den Bus eingestiegen oder mit dem Auto losgefahren sind.
Wisst ihr noch damals, als wir losgefahren sind? Könnt ihr euch noch daran erinnern als wir im Sandkasten gespielt haben, mit Lego-Bausteinen die spektakulärsten Häuser gebaut haben und sie stolz unseren Eltern präsentiert haben? Als unsere größte Sorge die nächste Stundenwiederholung in Mathe war? Wisst ihr noch als wir noch nicht wussten, in welchen Zug wir als nächstes einsteigen und uns deswegen einfach an der Haltestelle hingesetzt haben, ohne uns Sorgen darüber zu machen, wo wir als nächstes hinwollen? War das nicht eine magische Zeit?
Heutzutage ist es anders: Wir sehen nur mehr unsere Endstation und schauen nicht mehr aus dem Fenster, um die Landschaft der Station zu genießen, in der wir gerade sind und wir ärgern uns, wenn wir eine Umsteigemöglichkeit verpassen. Zudem wird der Zug immer schneller, desto länger wir fahren und sobald wir das verstanden haben, wollen wir plötzlich auf die Bremse drücken und nochmal ein Stück zurückfahren.
Dasselbe ist bei Menschen der Fall, mit manchen fährst du nur eine Station, manche steigen mit dir gemeinsam um und ganz wenige fahren mit dir bis zu deiner Endstation. Manche triffst du sogar später auf einem anderen Bahnhof noch mal.
Wir können unseren Weg selbst bestimmen. Warum dann nicht einfach mal aussteigen, ein wenig spazieren gehen und die Umgebung genießen, denn wir erreichen unsere Endstation schneller als wir glauben. Vielleicht finden wir Sachen, die uns sonst nie aufgefallen wären oder wir treffen Menschen, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Lasst uns unseren Traum leben und machen wir uns keine Sorgen mehr, wo wir umsteigen hätten können, wo wir in Zukunft umsteigen sollten oder wann wir das Ziel erreichen. Das ist unser Wiener Traum – „The Viennese Dream“.
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Danke an alle, die mir dieses Fahrzeug zur Verfügung gestellt haben und danke an alle, die sich dafür entschieden haben auf meinem Beifahrersitz mitzufahren. Wäre ich noch mal ein Jahr jünger würde ich noch mal genau das gleiche Fahrzeug nehmen und dieselben Leute mitnehmen auf meinem Weg. Jetzt aber wird es nochmal Zeit umzusteigen und mich neuen Erfahrungen und neuen Herausforderungen zu stellen. Aber eines bleibt gleich: Seestadt ist und bleibt meine Endstation.
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Mit der Anmeldung des aspern.mobil LAB als Einsatzstelle bei JUMP wurde der erste Freiwillige der Seestadt im Kalenderjahr 2021 aufgenommen. Zur selben Zeit habe ich maturiert und mich bei der Jugend-Umwelt-Plattform beworben, dieser Einsatz zählt auch als Ersatz für meinen Zivildienst. Nach dem Bewerbungsverfahren wurde ich aufgenommen und war somit der Erste, der in Seestadt sein Umweltjahr absolvieren durfte. Jetzt, ein Jahr später, am Ende meines Einsatzes, bin ich glücklich mich für diesen Einsatz entschieden zu haben.